Lektorat, woher nehmen und nicht stehlen?

Ich habe mich letztens bei Wattpad umgesehen, eine Plattform, die sich selbst "YouTube für eBooks" nennt und auf der man seinen Kram hochladen kann. Ich sage bewusst "Kram", denn ich habe mir ein paar Beispiele der dort (kostenlos) verfügbaren Texte durchgelesen und ausnahmslos alles war auch nicht mehr wert als genau 0€. Manches war von der Rechtschreibung her so mies, dass einem schlecht werden konnte. Selbst wenn man einen hochwertigen Text veröffentlichen möchte, wie sollen die potentiellen Leser diesen aus dem Haufen Müll herausziehen, in dem er sich verbirgt? Das ist nur mit einem direkten Link möglich, dann kann man die Datei aber auch auf seiner privaten Homepage ablegen, denn die Chance, dass jemand auf Wattpad ein Buch sucht und dann zufällig über die Perle stolpert, ist schlichtweg Null.

Lektorat: pro
  • Der Lektor/die Lektorin korrigiert den Text inhaltlich und macht auf Schwächen aufmerksam, die die gesamte Qualität des Buches betreffen, entlarvt einbrechende Spannungsbögen und im Sande verlaufende Nebenhandlungen oder entdeckt ganz einfach Fehler in der Logik der Geschichte.
  • Sieht man sich die Qualität der Texte auf Wattpad an (es soll auch gedruckte Bücher z.B. über BoD geben, die dem kaum nachstehen), kann man die Meinung vieler Leser verstehen, die erst gar keine Bücher anfassen, die nicht offensichtlich lektoriert wurden.
Lektorat: contra
  • Kosten. Ein "professionelles" Lektorat kostet richtig Geld. Das ist auch ok so, wenn der Job ordentlich ausgeführt wird. Aus allen Angeboten, die ich recherchiert habe, lag das günstigste bei ca. 2€ pro Normseite (ca. 1800 Zeichen), das teuerste bei ca. 5€. Das würde für mein erstes Werk, das ca. 375.000 Zeichen aufweist Kosten von 400 - 2000€ bedeuten. Wie gut die Lektorenarbeit dann ist und ob sie das Geld es wert ist, weiß man allerdings auch erst nachher.
  • Kosten II: Ein Lektorat ist kein Korrektorat, schiefe Formulierungen wird man vielleicht noch angekreidet bekommen, es wird aber nicht nach Rechtschreibfehlern gesucht, das kostet extra.
Lektorat: selbst machen?
  • Freunde und Familie als Lektoren sind zum großen Teil einfach zu "nett". Niemand wird einem guten Freund oder einem Mitglied der Familie wirklich professionell sagen können, was an dem Roman nicht stimmt. Selbst wenn man literarisch versiert ist, steht immer die persönliche Vertrautheit mit dem Autor im Hintergrund, so dass man über Fehler eher hinweg sieht (wenn man sie überhaupt bemerkt), zudem weiß man einfach zuviel, um unvoreingenommen zu lesen.
  • Als Autor wird man wahrscheinlich irgendwann "betriebsblind". Manche Formulierungen oder logische Konstrukte hält man für völlig normal oder verständlich, während der Leser sich nur rätselnd den Kopf kratzt.
Meine Entscheidung: Falls ich mich nicht doch noch entscheiden sollte, einen "richtigen" Verlag zu suchen, werde ich mir ein professionelles Lektorat auf keinen Fall leisten können. Wenn ich meine Bücher als eBooks veröffentliche, wird der Preis niedrig sein, ich bilde mir nicht ein, damit reich zu werden oder die aufgewendete Arbeit auch nur ansatzweise "ordentlich" (sprich: annehmbarer Stundenlohn) vergütet zu bekommen. Trotzdem will ich die Sachen nicht verschenken, eine gewisse "Hürde" in Form einer finanziellen "Anerkennung" an mich sollte es schon geben. Wenn ich aber pro Buch erst einmal mehrere Hundert Euro aufwenden muss, hört der Spaß auf, bevor er überhaupt beginnt.
Wer lektoriert die Bücher dann? Die üblichen Verdächtigen, Freunde und Verwandte, zusätzlich aber auch Bekannte, die sich mit dem Thema auskennen, professionell oder nicht, die ich aber nicht für ihre Dienste bezahlen muss, zumindest nicht monetär, das kann ich mir nicht leisten. Den Rest mache ich selbst, mehr dazu in einem eigenen Post.

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Dieses Zitat ist offenbar nicht von Kafka